1.1 Dr. Christoph Classen, Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) Potsdam: Die wissenschaftliche Aufarbeitung der DDR-Geschichte: Konsens, Kontroversen und Trends der wissenschaftlichen Aufarbeitung
Herr Classen betonte, dass der Historisierungsprozess der DDR-Geschichte auch 20 Jahre nach dem Mauerfall keineswegs abgeschlossen sei. Zeitgeschichte impliziere Kontroversen und widerstreitende Erzählungen, dies präge auch die geschichtswissenschaftliche Forschung zum Thema. Diese sei eng mit geschichtspolitischen Prozessen verbunden und wirke auf die Geschichtskultur und den öffentlichen Diskurs zum Thema zurück. Hierbei spielen nicht zuletzt institutionelle Logiken eine Rolle, da auch die zeitgeschichtliche Forschung von der Förderung durch öffentliche Mittel abhänge.
Es sollte jedoch nicht vergessen werden, dass es einen wissenschaftlichen Konsens über mindestens drei Punkte gibt:
Jedoch bleibt die DDR-Geschichte Classen zufolge ein kontroverses Forschungsfeld. Verschiedene Konfliktlinien sind zu verzeichnen, wobei es jedoch keine einheitliche politische Lagerbildung gibt, wohl aber unterschiedliche Ansätze hinsichtlich institutioneller Akteure:
Als Fazit kann festgehalten werden, dass der derzeitige Trend der Forschung auch weiterhin keinen dauerhaften Konsens verspricht. sondern dass mit den derzeitigen Differenzierungs- und Kontextualisierungsbemühungen verschiedene Interpretationen konkurrieren werden.
1.2 Dr. Heidi Behrens, Essen: Das Thema DDR in der politischen Bildung
Eine von Frau Behrens und ihren Kollegen Norbert Reichling und Paul Ciupke durchgeführte Programmforschung kam 2006 zu dem Ergebnis, dass das Thema DDR in Angeboten politischer Bildung in Deutschland an Bedeutung verloren habe. Die Studie konstatierte eine einseitige Konzentration der Bildungsangebote auf Aspekte von Repression und eine zu geringe Differenzierung von Phasen der DDR-Geschichte. Bei der Auswertung der Programme seit 2006 falle auf, dass das Thema DDR mittlerweile stärker gefördert wird, allerdings unter der Maßgabe gewisser Leitlinien. Es lasse sich feststellen, dass das Thema Alltag nun stärker präsent sei, jedoch Komplexität, Vielstimmigkeit und die Thematisierung mehrfacher Vergangenheiten weiterhin gescheut werden. Auch methodisch bestehen weiterhin Probleme: Bei der Vermittlung von DDR-Geschichte werde stark auf Authentizität gesetzt. Führungen in Gedenkstätten, insbesondere durch Zeitzeugen, seien aber oft monologisch, Teilnehmer/-innen würden zum Teil überwältigt. Gespräche mit Zeitzeugen haben Illustrationsfunktion und werden den Programmen zufolge nur selten vor- und nachbereitet. Als Zeitzeugen werden vor allem Opfer der SED-Diktatur, nur selten Funktionär/-innen oder Normalbürger/-innen eingesetzt, obwohl dies wichtig wäre, um unterschiedliche Perspektiven und Sozialisierungen zu verstehen.
Auch im Hinblick auf unterschiedliche Zielgruppen stellen sich Fragen, insbesondere was die Erfahrungsdifferenzierung angeht. Wenig reflektiert werde, dass oftmals auch Multiplikator/-innen und in der Erwachsenenbildung auch Teilnehmer/-innen Zeitgenossen gewesen seien, für die die DDR und ihr Ende biographische Einschnitte bedeutet hätten. Sie geben an, die DDR „live miterlebt“ zu haben und leiten daraus Deutungsansprüche ab. Insgesamt müsse es darum gehen, unterschiedliche Perspektiven der Zeitgenossenschaft in einen Dialog zu bringen. Auch eine wieder stärkere Begegnung von Teilnehmer/-innen aus Ost- und Westdeutschland wäre in diesem Zusammenhang wünschenswert. Bei Jugendlichen Zielgruppen muss das evtl. konfligierende Vorwissen aus Schule und Familie berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang muss auch weiter nach Ansätzen gesucht werden, wie Nicht-Gymnasiasten besser erreicht werden können.
Trotz der aufgezeigten Probleme müsse jedoch betont werden, dass es inzwischen ein großes Repertoire an methodischen Ansätzen gibt. Immer mehr in den Vordergrund rücke die Arbeit in Gedenkstätten, die sehr unterschiedliche pädagogische Konzepte erarbeitet haben. Arbeit mit Ortsbezug finde auch außerhalb von Gedenkstätten statt (z.B. Geo-Cashing). Methoden der biographischen Kommunikation jenseits der Arbeit mit Zeitzeugen haben sich als effektiv erwiesen, um die Vielfalt an Perspektiven aufzeigen zu können und die eigene, persönliche Geschichte kontextualisieren zu können. Auch kulturelle Ansätze haben Behrens zufolge großes Potenzial (Bsp.: Böll-Stiftung: „Dancing to connect“).
Besonders wichtig sei es, methodische Ansätze im Hinblick auf die Ausbildung kritischer Kompetenzen zu entwickeln. Als Beispiele nennt Behrens lokale Geschichtsprojekte, die Arbeit mit Quellen und Überlieferungen z.T. auch in Archiven oder mit Geschichtskoffern, die Auseinandersetzung mit Medien (z.B. Film) oder die Projektarbeit in einigen Gedenkstätten. Wichtig seien auch empathiefördernde Zugänge wie Rollenspiele oder Schreibwerkstätten. Potenzial bietet die Einbindung von DDR-Vermittlung in touristische Angebote in Brandenburg, z.B. in Form von Fahrradtouren.
Gute Ansätze werden Behrens zufolge jedoch zu selten multipliziert, dies liege auch daran, dass der Fachaustausch und Fortbildungsangebote zum Thema noch nicht ausreichend seien.
1.3 Ina Seidel und Steffen Dietrich: Das Thema DDR in der Schule
Frau Seidel und Herr Dietrich gaben einen Einblick in die DDR-Vermittlung in der schulischen Bildung. Beide haben vor 1989 studiert und unterrichten seit den 1990er-Jahren Geschichte. Sie betonten, dass für sie, wie für viele andere Lehrer/-innen die Vermittler und Zeitzeugenrolle zusammenfallen. Wichtig sei es dabei, am Lebensumfeld der Schüler/-innen anzuknüpfen; diese haben durchaus Interesse, Erzählungen in ihrer Familie und ihres Umfelds überprüfen. Zwar seien Wissenslücken und unterschiedliche familiäre Prägungen festzustellen, die pauschalen Befunde der Schröder-Studie könnten sie aber aus ihrer Unterrichtspraxis nicht bestätigen. Grundsätzlich kritisierten sie, dass das Thema DDR im Lehrplan zu kurz komme. Praktisch bleibe viel zu wenig Zeit, um das Thema differenziert zu behandeln. Besonderes Potenzial biete daher das Lernen an außerschulischen Lernorten, dabei hob Frau Seidel die Angebote von Projekttagen in verschiedenen Gedenkstätten hervor. Wichtig ist für beide, europäische und globale Perspektiven mit einzubeziehen und auch DDR-Geschichte und Landesgeschichte zu verknüpfen. Dies begründeten sie mit der Wichtigkeit von Geschichtsunterricht für Identität und Nationalbewusstsein. Letzterer Punkt wurde durchaus kontrovers diskutiert.
2.1 Inhaltlicher Konsens
2.2 Inhaltliche Kontroversen
2.3 Probleme bei der Vermittlung
2.4 Ideen und Perspektiven für die DDR-Vermittlung in Brandenburg
2.5 Offene Fragen