„Während die Täter relativ schnell zu dem Schluss kamen, das Geschehene zu verdrängen, indem man einfach leugnete, dabei gewesen zu sein, oder sich gar selber zu Opfern eines Befehlsnotstandes machte, war die Problematik für die Opfer eine diffizilere."
Isabell Peuker / Markus Scharrer
„[...] wollten wir über den Frankfurter Auschwitz-Prozess informieren und andeuten, wie die Angeklagten zwischen 1963 und 1965 das Frankfurter Gericht als Bühne für ihre sich aus der Verantwortung ziehenden Ausflüchte missbrauchten."
„Die erste Gruppe von Rechtfertigungsstrategien der Angeklagten lässt sich unter dem Punkt 'vorgetäuschte Amnesie' zusammenfassen [...] Eine zweite Gruppe von Angeklagten argumentierte mit dem sogenannten Befehlsnotstand - einer sehr populären Verteidigungsstrategie [...] eine dritte Gruppe hoffte auf eine mildere Strafe, indem sie sich als Opfer ihrer Zeit hinstellten [...] Schließlich gab es auch noch eine vierte Gruppe von Angeklagten, die sich als Widerstandskämpfer darzustellen versuchten. Sie seien bereits mit inneren Widerständen in das Lager gekommen, hätten dann dort aber alles versucht, den Gefangenen zu helfen [...].
Die Eingeschränktheit des eigenen Zuständigkeitsbereiches im Lager gehört neben der Berufung auf Erinnerungslücken und dem hartnäckigen Leugnen jeglicher Beteiligung zu der bevorzugten Verharmlosungstaktik der Angeklagten.
Die Angeklagten sprechen in „Beamtendeutsch" und versuchen sich dadurch von ihren Verbrechen zu distanzieren und zu verdrängen."
Kathrin Dowall / Thomas Gutke
„Der Zeuge Filip Müller verzichtet weitgehend auf einen Dolmetscher und kommt dem Richter entgegen, indem er die Fragen auf deutsch beantwortet. Dies kann nicht hoch genug bewertet werden, da sich für Filip Müller die deutsche Sprache noch immer als die Sprache der Täter darstellt.
Man hat das Gefühl (bezogen auf die Vernehmung des Zeugen Filip Müller), dass der Richter vorbelastet ist. Er hebt Nebensächlichkeiten mit der gleichen Intensität hervor, unterbricht den Zeugen oft und legt ihm zum Teil die Worte in den Mund."
Viviane Bebert / Anja Seege / Ramona Zühlke
„Die Verteidigung von Capesius stützte sich darauf, dass er durch besonders unglückliche Umstände in dieses Lager gekommen sei und eigentlich ein Menschenfreund sei (siehe Hörbeispiel). Er habe niemanden etwas zu Leide getan, ja sogar mehrfach dagegen protestiert, an der Rampe Dienst zu tun (Abb. 4). Auffällig ist, dass Capesius nach seiner Flucht aus Auschwitz und nachdem er aus britischer Gefangenschaft frei kam, zunächst ein unbehelligtes Leben in bürgerlicher Freiheit führen konnte. Der Haftbefehl gegen ihn erging Anfang Dezember 1959. Sechs Jahre später, 1965, wurde er für schuldig der gemeinschaftlichen Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord in mindestens vier Fällen an mindestens je 2000 Menschen befunden. Er bekam als Gesamtstrafe neun Jahre Zuchthaus. 1968 wurde er aus der Untersuchungshaft entlassen und starb 1985."
Kathrin Dowall / Thomas Gutke
„Am Ende des Workshops kamen wir zu dem Ergebnis, dass sich die Rollen verschieben. Die Zeugen werden erneut zu Opfern und die Täter sehen sich selbst als Opfer."
Viviane Bebert / Anja Seege / Ramona Zühlke
„In der Bundesrepublik war die kommunistische Wochenzeitung Die Tat Ende der fünfziger Jahre bemüht, noch nicht angeklagte Täter zu entlarven. Die Tat brachte heftigen Widerstand gegen die Aufnahme von ehemaligen Mitgliedern der Waffen-SS in die Bundeswehr vor allem durch die anklagende Verwendung von Exekutionsfotografien zum Ausdruck. Im Januar 1956 wurden erstmals Aufnahmen von Erschießungen im lettischen Libau veröffentlicht, die von SS-Männern gehetzte nackte Frauen und Menschen am Rand von Massengräbern zeigte. Die Tat forderte die Veröffentlichung der Namen der an den Verbrechen beteiligten Wehrmachtssoldaten."
Isabell Peuker / Markus Scharrer
Über Uwe Timm: Am Beispiel meines Bruders: „Die Frage, ob man überhaupt über Täter schreiben kann, die die eigenen Väter oder Brüder sind ist natürlich trotzdem berechtigt. Der Schutzmechanismus der eigenen Familie gegenüber wirkt sogar bei Uwe Timm, der seinen Bruder kaum kannte."
Alexa Friedrich / Annika Schönstädt
Über Grete Salus' und Lucie Adelsbergers Erlebnisberichte: „Weiterhin bleibt [...] zu bedenken, ob die subjektive Sichtweise für andere Häftlinge, die keine Stimme haben, weil sie ermordet wurden, eine Stimme sein kann. Außerdem ist zu überlegen, inwieweit sich die Auseinandersetzung der Autorin mit den persönlichen Erlebnissen in der Wichtigkeit mit der Stimmgebung der Toten und Mahnung an die kommende Generation überschneidet."
Nadja Bienge / Ramona Hönke
Auschwitz in den Texten jugendlicher Opfer: „Es schien uns auch sehr plausibel, dass den Erzählern zwar Szenen des Erlebten gegenwärtig waren, was in den Texten durch Beschreibungen und Schilderungen ausgedrückt wird, die (kindlichen) Gefühle jedoch ausgeblendet wurden, bzw. - vielleicht auch infolge des Verarbeitungsprozesses des Erlebten - nicht erinnerbar bzw. nicht beschreibbar sind."
Anja Grabow
„[...] so ist bei der 3. Generation der Opfer immer der Ausgangspunkt des Zählens / Gedenkens mit dem Leid der Opfer, dem Holocaust verbunden. Die 3. Generation der ‚Tätergesellschaft' fängt gerne an der nie da gewesenen Stunde Null mit ihrer Geschichtszählung an."
Katja Kahle / Sandra Schramm